"Tankstellen: Basta"

Der Künstler Martin Gensbaur sprach bei Goys Letzten Montagen über seine Bilder

Ammerseekurier, 5. Dezember 2017, S.7:

Dass sich Maler und Literaten gegenseitig wahrnehmen, hat eine lange, wechselvolle Tradition. Man denke an Tizian und Ariost, an Caspar David Friedrich und Clemens von Brentano, an Paul Cèzanne und Émile Zola, an Rainer Maria Rilke und Paula Modersohn Becker, Else Lasker-Schüler und Franz Marc...

Es muss ja nicht immer in einer Rivalität enden wie bei Cézanne und Zola oder in Schwärmerei wie bei Rilke und Paula Modersohn. In jüngster Zeit sind solche Verbindungen seltener geworden. Die Zeitgenossen malen nicht mehr, und wenn, dann auf keinen Fall literarisch.... und die Dichter?

Sebastian Goy kann mit den Tankstellenbildern von Martin Gensbaur offenbar etwas anfangen. Er hat sich mit "Tankstellen, basta!" in sie hineingeschrieben. Am letzten "Letzten Montag" des Jahres wurden die Bilder und der Text vorgestellt.

Martin Gensbaur begann seine Einführung in die Serie der seit 2009 entstehenden Tankstellenbilder mit einem aktuellen Foto aus Dießen und der Frage, weshalb er vorwiegend italienische Tankstellen male.

Nach einem, durch die Promenade aus Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" musikalisch begleitenen Video und mit Hilfe weiterer filmisch aufbereiteter Sequenzen nahm er das Publikum mit an die Orte entlang der Via Aurelia, wo viele der Bilder entstehen. Er führte virtuell durch seine diversen Freiluftateliers in Zonen, wo sich Touristen normalerweise allein zum Tanken aufhalten, und verglich die gemalten Szenerien mit Einblendungen virtueller Bilder aus dem Internet.

Der Dießener Künstler Martin Gensbaur erläutert eines seiner berühmten Tankstellenbilder.

Ein Junge meinte kürzlich, als er den Künstler hoch über dem Walchensee bei seiner Arbeit entdeckte: "der malt sich selber seine Bilder ab". Die Frage, ob er der Via Aurelia etwas "wegmale", beantwortete Gensbaur eindeutig mit Ja. Er mache sich die Gegend zu eigen und nehme so von dort vor allem geistige, aber auch materielle Werte mit ins Kunstfenster oder in seine diversen Ausstellungen der letzten Jahre. Eine Fotomontage mit einem seiner Tankstellenbilder in dem Rahmen des kürzlich für 450 Mio. versteigerten Leonardo da Vinci sorgte für Heiterkeit im Publikum.

Der Maler stellte abschließend seine Motive Bildern zeitgenössischer Fotografen wie Elmar Haardt und Thomas Struth gegenüber, mit denen er Schnittmengen habe, von denen sich jedoch sein persönliches Bekenntnis zum Malen vor Ort und auch seine Formate unterscheiden.

Elisabeth Günther und Sebastian Goy trugen anschließend abwechselnd den Text in zehn Abschnitten vor, den der Dießener Autor anlässlich des Erscheinens der vierten Ausgabe der Dießener Schriftenreihe DAS KUNSTFENSTER zu den Tankstellenbildern Martin Gensbaurs verfasst hat. Im Hintergrund wurden dazu die jeweiligen Doppelseiten des Hefts eingeblendet.

Assoziativ, quer denkend, überraschend witzig, poetisch und in der nur ihm eigenen Fähigkeit, die Dinge mit Sinn für Ironie und Gespür für das, was nicht gesagt werden muss, auf den Punkt zu bringen, beeindruckten Sebastian Goy und auch der stimmlich unnachahmbare Vortrag seines Textes durch die Schauspielerin und Synchronsprecherin Elisabeth Günther an diesem Abend nicht allein den Maler der Tankstellenbilder nachhaltig.

...und für alle, die den Abend verpasst haben, gibt es eine zweite Gelegenheit am Abend des 20. Juni 2018 um 20 Uhr in der Abtei Venio in München Nymphenburg.
Elisabeth Günther und Sebastian Goy haben bereits zugesagt. Wir freuen uns darauf!